freudentränen mit bergblick

Familienurlaub im Test

Unsere Autorin fährt mit ihrem Mann, ihren Kindern und ihrer "Ehefrau" nach Tirol, um einer Frage nachzugehen: Reichen die zahlreichen Aktivitäten in einem Tiroler Hotel aus, um die unterschiedlichen Bedürfnisse einer modernen Familie zu befriedigen?

Familienurlaube sind wie Abendessen. Ein Elternteil will dies, der andere das - und die Kinder wollen wiederum etwas ganz anderes. Harmonisch ist das nicht. Zum Glück haben sich aber wunderbare Menschen in Tirol ein Konzept ausgedacht, bei dem - wie von Zauberhand - alle Familienmitglieder genau das bekommen, was sie sich wünschen. Also zum Beispiel beim Frühstück eine Art Butterkugel verspeisen und mit Verdauungsproblemen aufs Zimmer zurückwanken, am Pool Aperitifs trinken oder vor dem Frühstück golfen und nach dem Mittagessen Tennis spielen. 

Ohne zu wissen, dass genau das uns erwartet, kommen wir an einem sonnigen Morgen im August auf dem Lärchenhof an, dem „Ferienparadies in den Kitzbüheler Alpen“. Alles, was eigentlich zu so einer Reise gehört, liegt da schon hinter uns: Pinkelpausen an Tankstellen, eine auf den Rücksitz verschüttete ganze Flasche Apfelschorle und – mehrfach – die gute alte Kinderfrage: „Sind wir schon da?“ Keiner von uns hat bislang einen All-inclusive-Hotelurlaub gemacht. 

"Wir denken uns normalerweise die verrücktesten Ferienarrangements aus, um es wirklich jedem recht zu machen."

– was dann gerne auch mal dazu führt, dass keiner zufrieden ist. Nicht zu zuletzt deshalb sind wir besonders neugierig, was uns nun erwarten wird. Wird das Versprechen, alle glücklich zu machen, wirklich erfüllt? 

Ist Patrick Swayze hier?

Wir, das sind drei Erwachsene (mein Partner, meine beste Freundin Sophie und ich) und meine drei Kinder (eine 9-jährige, die glücklich ist, solange es einen Pool gibt, eine 14-Jährige, die sich kaum an das Leben vor TikTok erinnern kann, und ein 15-Jähriger, der nicht weiß, ob er lieber auf Ibiza raven würde, oder doch lieber den ganzen Tag schlafen soll).

Das sind wir - eine Familie mit bunt zusammengewürfelten Interessen.

Das sind wir - eine Familie mit bunt zusammengewürfelten Interessen.

Ziel dieses kleinen All-inclusive-Experiments ist es, dass Sophie und ich eine Wanderung ohne Kinder machen, Cathal etwas Zeit auf dem Golfplatz verbringt und die Kinder irgendwie beschäftigt sind. Wir möchten diese sehr, sehr seltenen Momente erleben, während denen alle gleichzeitig zufrieden sein. Sie sind ungefähr so selten wie auf einer einzigen Safari hintereinander die Big Five zu sehen, also sowohl Elefanten, Nashörner und Büffel, als auch Löwen und Leoparden. Die Hürde ist also hoch.

Als wir die Einfahrt zum Hauptgebäude des Hotels hochrollen, spüre ich, wie die Kinder auf dem Rücksitz ihre Hälse verrenken. „Sind wir da? Mama, ist das das Hotel?“ Sie sind nicht sicher, ob das, was sie gleich sehen werden, nun eine kleine Frühstückspension sein wird oder etwas Großes, Exklusives, Aufgemotztes.

Vor uns liegt dann ein charmantes, majestätisch über dem Tal thronendes Hotel, hinter dem die Berglandschaft der Tiroler Alpen emporragt. Holzbalkone, auf denen Geranien blühen, und Hotelangestellte in Tracht vermitteln sofort Wärme und Gemütlichkeit. Die Gäste sind offensichtlich alle bei ihrer Lieblingsbeschäftigung: Zwei Damen machen sich in flauschigen Bademänteln auf den Weg zum Außenpool, ein sportliches Paar in Tenniskluft spaziert zu den Plätzen, ein Mann springt in ein Golfcart und fährt einen Hügel hinunter. 

Vielleicht nicht die herkömmlichen Big 5, aber nah dran. 

Vielleicht nicht die herkömmlichen Big 5, aber nah dran. 

"Eine ähnliche Idylle habe ich zuletzt 1985 gesehen. Im Kino."

Die Zufahrt zum Lärchenhof verströmt Kellerman-Vibes. Es ist wie in „Dirty Dancing“, als Baby mit ihrer Familie im Hotel ankommt. Der Golfwagen, der große Eingang, die etwas veraltete, aber sympathische Einrichtung, die wuselige und doch entspannte Geschäftigkeit der Gäste. Alles da.

Ehe ich mich versehe, singe ich schon: „Kellerman’s we come together, singing all as one, we have shared another season’s talent, play and fun…“ Ich bezweifle, dass ich hier eine Art Patrick Swayze finden werde, aber ich glaube, dass das hier so ein Ort ist, zu dem Familien seit Jahrzehnten kommen, und jetzt bringen die Kinder ihre Kinder mit und die wiederum ihre Kinder. 

Pudding als Hauptspeise

Der Lärchenhof wurde 1968 von Martin Unterrainer als Gästehaus mit zwanzig Betten erbaut und hat sich im Laufe der Jahre zu einem Komplex mit Wellnesscenter, Beautyfarm, Kinderclub, diversen Schwimmbädern, Minigolf-Anlage, Tennisplätzen und Sauna entwickelt. Im Ganzen ist es heute eine Art alpines Alice-im-Wunderland-auf-LSD-trifft-die-Royal-Tenenbaums. Jeder Türrahmen ist mit traditionellen, farbenfrohen Holzschnitzereien verziert, jeder Teppich ist einzigartig. Im ersten Moment ist das alles eine gewisse Zumutung, aber wir gewöhnen uns schnell an den verschnörkelten, aber heimeligen Stil des Hauses - und schlendern in unseren Bademänteln zum Pool.

Dort besprechen wir bei einem Willkommensbier unsere Pläne für die kommenden Tage. Jeder soll Zeit für sich haben, was auch immer das jeweils bedeuten mag. Sophie und ich beschließen, am Morgen eine vierstündige Wanderung zu unternehmen, durch die berühmte Grießbachklamm-Schlucht hinauf zur Huber Alm. Cathal will neun Löcher Golf spielen, um seine neue Sounder Golf Kollektion zu testen, und die Kinder melden sich für eine Stunde beim Golftraining des Hotels an. Dann gleiten wir wie Meerjungfrauen der Berge in den Pool und freuen uns, dass die einzigen, die wir vor unserer Wanderung mit Sonnencreme einschmieren müssen, wir selbst sein werden. Vielleicht gelingt es uns ja sogar, ein richtiges Gespräch zu führen - ohne ständige Unterbrechungen. Das wäre doch mal was. 

Das Abendessen ist die Tiroler Version eines Las-Vegas-Buffets. Es gibt alles. Also wirklich: alles. Für Eltern, die sich durch die Covid-Jahre kochen mussten, ist es das Paradies. Die Jüngste nimmt eine kleine Vorspeise, stürzt sich dann aber sofort auf den Pudding und sagt: „Dieses Hotel ist ein Traum. Ein Traum!“ Mein Teenager-Sohn isst dreimal Fleisch und meine Tochter genießt es, ausnahmsweise mal nicht so tun zu müssen, als würde ihr schmecken, was ich gekocht habe - weil ich es eben nicht gekocht habe. Wir essen uns satt und lassen uns auch nicht von der umfangreichen Weinkarte einschüchtern. Dann gibt‘s noch eine kurze Runde Kicker und Billard im Spielzimmer, bevor‘s ins Bett geht. 

Inmitten eines Wunders

Am nächsten Morgen stehe ich früh auf, wie ein Kind vor Weihnachten, und packe meinen Rucksack für die Wanderung. Alles fühlt sich ein bisschen zu einfach an. Ich muss niemanden wecken und trage nur meine eigenen Sachen herum.

"Ich drehe mich immer wieder um, um zu sehen, ob ich etwas vergessen habe. Habe ich: die Kinder. Und zwar absichtlich."

Wir machen uns auf den Weg in die Schlucht, unter uns fließt der Grießbach. Wir überqueren Hängebrücken und machen Höhenmeter um Höhenmeter. Wir haben ganze vier Stunden Zeit, um unsere Leben zu sezieren, nur mit Bäumen und Farnen als Zeugen. Wir sprechen über alles, was eine 40-jährige Freundschaft so mit sich bringt, Familie, Liebe, Verlust, Hoffnungen, Sex, Bücher - und schon erreichen wir die Huber Alm mit ihrem eindrucksvollen Blick auf den Wilden Kaiser. 

Und gerade als dieses Heidi-Abenteuer nicht mehr heidihafter werden könnte, wenden sich zwei barfüßige Schwestern in Lederhosen dem weiten Tal zu und spielen uns ein Ständchen auf ihren Kornetts. Die melancholischen Töne der Blechblasinstrumente in der klaren Bergluft fühlen sich wie Ankommen an. Bei mir selbst. Wir haben beide Tränen in den Augen. Freudentränen. Möge dieses Wunder nie enden. Auf dem Rückweg plaudern wir, bis unsere Münder fusselig sind und unsere Körper müde, bevor wir unsere Erwachsenenzeit in der Panoramasauna ausklingen lassen. Sorry, Kinder. Man muss jede Gelegenheit nutzen, die sich ergibt.

Beim Abendessen erzählen wir uns gegenseitig von unserem Tag. Cathal erlebte die ganze Pracht eines österreichischen Golfplatzes, die Kinder liebten ihre erste Golfstunde und Annie machte sogar einen kurzen Ausflug in den kleinen Streichelzoo des Hotels, bevor sie jeden einzelnen Pool ausprobierte. Und das war erst der erste Tag.  

Nachdem also alle schon mal allein auf ihre Kosten gekommen sind, unser Ziel also schon erreicht ist, beschließen wir, am nächsten Morgen etwas gemeinsam zu unternehmen. Radikale Idee, klar. Aber nach dem herrlichen Tag, der bereits hinter uns liegt, fühlt es sich nicht mehr wie eine lästige Pflicht an.

Und so baden Sophie und ich im Morgengrauen in einem eiskalten Gebirgsbach und nehmen Annie mit. Nach dem Frühstück machen wir uns dann zu sechst auf den Weg zum Golfplatz. Die Sonne scheint, die Kinder lachen, Cathal schlägt ein paar Bälle auf der Driving Range und Sophie und ich schmieden Pläne für unseren nächsten Ausflug. 

Anders gesagt: Es sieht so aus, als ob Herrn Unterrainers über 50 Jahre alte Vision von einem Hotelparadies in den Kitzbüheler Alpen tatsächlich wahr geworden ist. Wahrscheinlich wird meine Zeit hier nicht damit enden, dass Patrick Swayze mich über seinen Kopf hebt, aber wie heißt es gleich wieder im Song zum Film: „I‘ve had the time of my life / No, I‘ve never felt this way before / Yes, I swear, it‘s the truuuuth.“ Ich habe die Zeit meines Lebens. 

Und der zweite Tag hat gerade erst begonnen.